Siehe Migrationsgesellschaft
Siehe Migrationsgesellschaft
Der Begriff wurde von der US-amerikanischen Bürgerrechts- und Selbsthilfebewegung geprägt und steht für Selbst-Ermächtigung oder Selbst-Befähigung. Gemeint ist damit ein Prozess, in dem benachteiligte Menschen ihre eigenen Kräfte entwickeln und Fähigkeiten nutzen, um an politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen teilzuhaben und so ihre Lebensumstände und Entwicklungsmöglichkeiten zu verbessern - unabhängig vom Wohlwollen der Mehrheitsangehörigen. Dazu zählen Konzepte und Strategien, die dazu beitragen, dass Menschen in (relativ) marginalisierten Positionen ein höheres Maß an Selbstbestimmung und Autonomie erhalten und ihre Interessen eigenmächtig, selbstverantwortlich und selbstbestimmt vertreten und durchsetzen können. Empowerment bezeichnet dabei sowohl den Prozess der Selbstermächtigung als auch die professionelle Unterstützung der Menschen, ihre Gestaltungsspielräume und Ressourcen wahrzunehmen und zu nutzen.
Epistemik bezeichnet den Vorgang des Erkennens. Epistemische Gewalt liegt dann vor, wenn z. B. westliche Wissenschaftler:innen vermeintliche oder tatsächliche Probleme von Menschen analysieren und bearbeiten, die sie dem Globalen Osten bzw. Süden zuordnen, und sie dabei die Kategorien und Deutungen der Betroffenen nicht berücksichtigen oder ihnen die eigenen Kategorien und Deutungen überstülpen und so vereinnahmen. Ein typisches Beispiel für epistemische Gewalt: In einem Gremium gegen Rassismus sitzen nur weiße, europäische Männer oder Frauen und entwerfen Lösungsansätze, ohne die betroffenen Menschen in den Prozess einzubeziehen. Dadurch können sie als Akteur:innen ihre Deutung der Welt durchsetzen. Diese Haltung hat ihre Wurzeln im Kolonialismus. Sie definiert Angehörige der kolonialisierten Länder als unveränderbar anders und implizit minderwertig. Dadurch trug bzw. trägt sie maßgeblich dazu bei, Kolonialismus und Rassismus zu rechtfertigen.
Siehe auch Dominanz, Eurozentrismus, Postkolonialismus und Sprache
Epistemik bezeichnet den Vorgang des Erkennens. „Epistemizid“ nennt der portugiesische Soziologe Boaventura de Sousa Santos das systematische Auslöschen von Wissen, das als „nicht gültig“, also nicht bedeutend oder nicht relevant, angesehen wird. Nur das Wissen, das nach den Kriterien der weißen, bürgerlichen Gesellschaft seit der Aufklärung geschaffen wurde, gilt als wissenschaftlich. Der Epistemizid – und die damit einhergehende Diskreditierung nicht-westlichen bzw. nicht-weißen Wissens – begann mit der Kolonisierung und dauert bis heute an.
Boaventura de Sousa Santos sagt in einem Interview mit dem Deutschlandfunk „Nehmen wir das Beispiel Entwicklung oder Fortschritt. Wir glauben, dass Entwicklung eine Voraussetzung für soziale Gerechtigkeit ist. Aber das eurozentrische Konzept von Fortschritt oder Entwicklung hat gar nichts zu tun mit Vorstellungen von einem guten Leben, wie es sie in anderen Teilen der Welt gibt. Trotzdem denken wir immer, dass Entwicklung für ein Land bedeutet, so zu werden wie Europa oder Nordamerika. Obwohl wir sogar wissen, dass die Erde kollabieren würde, wenn alle leben würden wie die Menschen dort.“
Mit Essentialisierung ist die (Über-)Betonung physiognomischer Merkmale (z. B. Hautfarbe, körperliche Behinderung), Geschlechtszugehörigkeit und religiösen oder sexuellen Orientierungen gemeint. Essentialisierungen gehen mit einer Reduzierung der jeweiligen Person auf dieses eine Merkmal einher, blenden also andere Identitätsmerkmale der Person aus. Essentialisierung beinhaltet außerdem die Annahme, dass Menschen aufgrund bestimmter Merkmalen objektiv und eindeutig bestimmten Gruppen zugeordnet werden können. Diesen Gruppen und ihren (vermeintlichen) Angehörigen wird dadurch ein überzeitliches Wesen unterstellt. Essentialisierungen können von Seiten einer Einzelperson oder Gruppe als Fremdzuschreibungen fungieren. Dann gehen sie häufig mit Ausschließungspraktiken einher. Sie können aber auch als Selbstzuschreibung in Erscheinung treten, d. h. die jeweilige Person definiert sich selbst über dieses Merkmal. Auch in der Essentialisierung eigener Merkmale liegt die Gefahr, die bestehenden Vorurteile und Diskriminierungen zu aktualisieren, da die Betonung des jeweiligen Merkmals die gesellschaftliche Dichotomisierung (Zweiteilung) in „Wir“ und „Ihr“ bestätigt.
Siehe auch Differenzlinie
Eine Ethnie ist eine ethnisierte Gruppe. D. h. sie ist gekennzeichnet durch Vorstellungen einer kollektiven Identität (Ethnizität). Diese tatsächlichen oder vermeintlichen Gemeinsamkeiten und Verbindungen können sich auf unterschiedliche Aspekte beziehen: z. B. Sprache (wir gehören zusammen, weil wir die gleiche Sprache sprechen), Geschichte (gemeinsame Vergangenheit), Religion (gemeinsamer Glaube), Kultur (geteilte Normen, Werte, Rituale). Von Bedeutung sind auch Vorstellungen von einer gemeinsamen Herkunft („Abstammung“). Dabei ist es nicht entscheidend, ob eine Abstammungsgemeinschaft real vorliegt oder nicht: Die Bezeichnung „Ethnie“ wird vor allem über die Selbstzuschreibung der jeweiligen Gruppe definiert. Als Fremdzuschreibung können ethnisierte Merkmale allerdings auch der Legitimierung von Ausgrenzung und Diskriminierung dienen. Der Begriff wird meistens synonym zu Volk verwendet, auch um letzteren im Sinne eines Euphemismus zu vermeiden. Teilweise ersetzt Ethnie auch den Begriff „Rasse“, ebenfalls um negative Konnotationen dieses Begriffs zu vermeiden.
Siehe auch Ethnisierung, Ethnozentrismus, Nation, Nationalismus und völkischer Nationalismus
Wird die Verschiedenheit zwischen Gruppen von Menschen unter Ausblendung von Gemeinsamkeiten auf „ethnische“ Unterschiede reduziert und werden damit soziale Prozesse erklärt, wird häufig von Ethnisierung gesprochen. Selbstethnisierung ist die Selbstbeschreibung auf Grundlage „ethnischer“ Kategorien und kann der Durchsetzung eigener Interessen oder einer Identitätspolitik dienen. Fremdethnisierung ist ein sozialer Ausschließungsprozess, der Minderheiten schafft, diese negativ bewertet und die Privilegien der Mehrheit sichert.
Siehe auch Ethnie und Ethnizität
Ethnizität ist die Überzeugung von Menschen, einer bestimmten „Ethnie“ anzugehören oder andere „Ethnien“ als separat zu empfinden. Sie ist eine Form kollektiver Identität. Der britische Soziologe Stuart Hall betont in seiner Definition, dass Ethnizität keine feststehende natürliche Eigenschaft ist, sondern als dynamisch und kontextabhängig zu betrachten ist: „Es ist eher eine Überzeugung, eine Vorstellung, eine Bewusstseinsform, die weder natürlich noch ewig ist, sondern zu einem bestimmten Zeitpunkt durch die Umstände hervorgebracht wird. Es ist ein Halt, der dem Individuum das Gefühl gibt, irgendwo in der Welt einen Platz und eine Position zu haben. (…) Ethnizität erinnert uns daran, dass jede/r ‚irgendwo‘ herkommt – ob real oder eingebildet – und dass jede/r das Bedürfnis hat, sich mit etwas zu identifizieren und bei was auch immer zugehörig zu fühlen.“
Siehe auch Ethnisierung
„Ethnopluralismus“ ist eine Wortschöpfung der Neuen Rechten aus den 1970er Jahren, die hauptsächlich auf Henning Eichberg zurückgeht. In dem Konzept des „Ethnopluralismus“ werden Menschen nicht mehr in „Rassen“ eingeteilt, sondern in „Völker“ oder „Kulturen“. Diese werden als statische, kulturell homogene Gruppen mit einer einheitlichen, quasi-natürlichen „Identität“ und einer angestammten „Heimat“ betrachtet, die prinzipiell alle gleichwertig seien. Erst durch „Vermischung“ und „Multikulturalismus“ komme es zu Konflikten. Daher müssen die behaupteten Einheiten, so die Forderung, voneinander getrennt bleiben. Auf diese Weise werden dann Diskriminierungen, wie z. B. die Einschränkung von Rechten oder von Migration, begründet. Das Konzept dient dazu, rassistische Argumentation vor dem Vorwurf des Rassismus zu schützen, und sich vordergründig vom Nationalsozialismus und dem mit ihm verknüpften biologistischenRassismus abgrenzen zu können. Offen biologische oder genetische Argumentationen werden vermieden, sind aber implizit in völkischen Kampfbegriffen wie z. B. vom „Großen Austausch“ enthalten.
Siehe auch Kulturalismus, Neorassismus und völkischer Nationalismus
Der von dem US-amerikanischen Soziologen W. G. Sumner geprägte Begriff betont allgemein einen auf die Eigengruppe bezogenen Egozentrismus. Im engeren Verständnis bedeutet Ethnozentrismus die Beurteilung anderer Gruppen, „Völker“ und „Kulturen“ aus der Sicht der eigenen Gruppe und der ihr zugeschriebenen Wertmaßstäbe. Dabei kann es durch Auswahl und Hervorhebung bestimmter Informationen sowie Leugnung oder Ausblendung anderer Informationen zu einer Überhöhung der Eigengruppe kommen. Im Extremfall handelt es sich um eine Deutung der Welt, in der die eigene Gruppe das Zentrum aller „guten Dinge“ ist und alle anderen als negativ bewertet werden.
Der Begriff Eugenik, häufig auch Eugenetik, leitet sich vom griechischen Wort eugenes, deutsch „edel geboren“, ab. Er beschreibt die Lehre von der Verbesserung des biologischen Erbguts des Menschen. Dabei wird zwischen positiver Eugenik (bevölkerungspolitische und sozialstaatliche Maßnahmen, die der Fortpflanzung erwünschter Bevölkerungsgruppen dienen) und negativer Eugenik (Maßnahmen, welche die Fortpflanzung unerwünschter Bevölkerungsgruppen verhindern, z. B. Sterilisation oder Selektion von Neugeborenen) unterschieden. Der Begriff geht auf den britischen Naturforscher Francis Galton zurück, der Ende des 19. Jahrhunderts das Darwin‘sche Verständnis vom „Kampf ums Dasein“ mit Theorien über sogenannte Rassen mischte. Das Konzept verbreitete sich seitdem in vielen europäischen Ländern, Japan, den USA, Kanada, Australien und Lateinamerika und wurde in einigen sogar zum Teil gesetzlich umgesetzt. In Deutschland sprach mensch eher von der „Rassenhygiene“. Sie wurde seit der Machtübernahme der Nationalsozialist:innen nicht mehr nur „wissenschaftlich“ verbrämt, sondern auch politisch durchgesetzt. Dies hatte neben der Ermordung auch die Zwangsterilisation von Menschen mit Be_Hinderung, neurodivergenten Menschen (dazu zählen sowohl Menschen mit physischer Behinderung als auch Menschen mit psychischen oder chronischen Erkrankungen) sowie Menschen, die als „Asoziale“ markiert wurden (Gadje-Rassismus und Porajmos), zur Folge. Bis heute halten Debatten um die Verbesserung von biologischem Erbgut an, zumeist jedoch unter einem anderen Namen als Deckmantel („genetic enhancement engineering“, „germline intervention“).
Siehe auch Biologismus
Entstanden zur Zeit der Kolonisierung versteht ein eurozentrisches Weltbild Ideen, Wertvorstellungen und Lebensweisen, die in europäischen Ländern entstanden sind, als erstrebenswert für alle Menschen auf der Welt. Da der Begriff vielmehr ideologisch als geografisch geprägt ist, zählen andere westliche Länder wie die USA ebenso dazu. Zu den verteidigten und zu verbreitenden Werten gehören auch technische Errungenschaften und politische Systeme, die als „zivilisiert“ und „fortschrittlich“ betrachtet werden. Eurozentristische Handlungen zeichnen sich durch dominantes, bekehrendes bzw. missionierendes Verhalten gegenüber Menschen und Staaten aus, die (zugeschriebenerweise) andere Wertvorstellungen leben oder andere gesellschaftliche Systeme haben. Zudem beschreibt Eurozentrismus die Vorherrschaft von westlichen, weißen Perspektiven in Wissenschaft, Politik und Wirtschaft.
Siehe auch: Critical Whiteness, Postkolonialismus, epistemische Gewalt, Exotisierung
Exotisierung ist eine Strategie des Othering, die der Stereotypisierung und Hierarchisierung konstruierter sozialer Gruppen dient. Dazu werden meistens vordergründig positive Attribute wie eine besondere Naturverbundenheit, freizügige Sexualität, gesunde Körperlichkeit oder Emotionalität genutzt, die die betroffenen Menschen als grundlegend anders und implizit als „unzivilisiert“ darstellen. Wie negative Zuschreibungen dienen auch exotisierende dem modernen westlichen Individuum dazu, sich seiner Identität und vermeintlicher Tugenden wie, z. B. Arbeitsamkeit und Diszipliniertheit, zu versichern. Bedürfnisse, die aufgrund der gesellschaftlichen Verfasstheit nicht ausgelebt werden können, werden auf „die Anderen“ projiziert. Dieser Vorgang stabilisiert die gesellschaftliche Ordnung, da Aggressionen, die gegen diese gerichtet werden könnten, auf „die Anderen“ abgeleitet werden. Umgekehrt drückt sich Exotisierung in der scheinbar harmlosen Faszination für „das Fremde“ und in dem Verlangen aus, die konstruierte Andersheit „der Anderen“ zu genießen und dadurch die Grenzen und Konventionen der gesellschaftlichen Ordnung zu überschreiten. Beispiele für Exotisierungen sind: die romantisierende Darstellung von „Zi.“ (siehe Gadje-Rassismus); die idealisierende Darstellung des „Orient“ in den „Geschichten von 1001 Nacht“; die Darstellung „exotischer“ Länder als Reiseziel für Abenteurer:innen; die Darstellung Afrikas und Schwarzer Menschen – vor allem Schwarzer Frauen – als mysteriös und geheimnisvoll, aber faszinierend. In der Werbung ist Exotisierung daher häufig mit einer sexualisierenden Darstellung von Frauen verbunden. Der ideologische Gehalt der Exotisierung wird als Exotismus bezeichnet und ist eine Spielart des Rassismus.
Siehe auch epistemische Gewalt, Rassifizierung, symbolische Macht und Sexismus
Die Bezeichnung „Extreme Rechte“ ist eine Begriffsalternative zum Begriff Rechtsextremismus, die deutlich macht, dass Ideologien der Ungleichheit und diskriminierende Einstellungen nicht ausschließlich am rechten Rand, sondern ebenso in der Mitte der Gesellschaft vertreten sind. Dies ist ein Schluss der in vielen Definitionen des Rechtsextremismus nicht gezogen oder zumindest nicht deutlich genug herausgestellt wird. Die Bezeichnung „extreme Rechte“ steht dann für jene Bevölkerungsanteile, die Ausgrenzungspraktiken am umfassendsten durchsetzen beziehungsweise deren Umsetzung am umfassendsten einfordern. Der Teil der Gesellschaft, der vereinzelt rechte Ansichten teilt, jedoch nicht in der Intensität, dass er zur „extremen Rechten“ zählt, wird als „etablierte Rechte“ eingeordnet.
Siehe auch: Extremismustheorie (noch nicht aufgenommen), Amtlicher Extremismusbegriff (noch nicht aufgenommen), Rechtspopulismus