Im Glossar erläutert IDA zentrale Begriffe aus seinen Arbeitsbereichen kurz und verständlich. Das Glossar wird kontinuierlich erweitert und aktualisiert. Sie vermissen einen Begriff? Schreiben Sie uns einfach an Info(at)IDAeV.de.
Als Biologismus lassen sich biologisierende Denkweisen bezeichnen. Diese versuchen, Menschen nach biologischen Kriterien in eindeutig abgrenzbare Populationen zu unterteilen, zu hierarchisieren und auf dieser Basis soziale Prozesse zu erklären. Unter Biologisierung kann analog zur Kulturalisierung die Praxis verstanden werden, die Biologie und natürliche Umwelt des Menschen als wesentliche, zentrale und determinierende Erklärung für (individuelle) Handlungen, Einstellungen, Verhaltensweisen, Konflikte oder Ausdrucksweisen zu verstehen. Im Kontext von Rassismus geschieht dies entweder mit explizitem Bezug auf „Rasse“ oder auf biologisch definierte funktionale Entsprechungen wie „Völker“. Charakteristisch sind biologistische Argumentationen bspw. für den „wissenschaftlichen Rassismus“ des 18. Jahrhunderts. Aber auch für alle anderen Formen der Diskriminierung spielen sie eine tragende Rolle, da sie im Zuge der allgemeinen Verwissenschaftlichung seit dem Ende des 18. Jahrhunderts die Möglichkeit boten und bieten, menschliche Unterschiede und Verhaltensweisen gestützt auf wissenschaftliche Autorität – statt vormals auf religiöse Autorität – mit „der Natur“ des Menschen zu erklären.
Siehe auch Naturalisierung und Rassifizierung
Der Begriff BIPoC* steht für „Black, Indigenous, People of Color” und dient als analytische und politische Selbstbezeichnung für Menschen mit Rassismuserfahrungen. Der Asterisk (*) signalisiert Offenheit, indem er auf die Vielfalt der Geschlechter sowie auf jene Menschen verweist, die sich nicht vollständig mit den Begriffen dieser Abkürzung identifizieren, jedoch ähnliche Diskriminierungserfahrungen teilen. Neben der Schreibweise BIPoC* existieren Varianten wie BI*PoC oder BIPoC_, die alle Diversität und Offenheit des Begriffs unterstreichen.
BIPoC* schafft Raum für Community-Bildung, Schutz und Empowerment, macht die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Rassismuserfahrungen sichtbar und fördert solidarische Bündnisse über strukturell marginalisierte Gruppen hinweg. Ursprünglich aus antirassistischen Bewegungen in den USA entstanden, betont BIPoC* die historische und soziale Unterdrückung besonders Schwarzer und Indigener Menschen.
Der Begriff kann dazu führen, dass spezifische Gruppen unsichtbar gemacht und die Erfahrungen spezifischer Gruppen verallgemeinert werden, wenn BIPoC* verwendet wird, obwohl es um eine bestimmte Gruppe geht. Daher ist es wichtig, ihn nur dann zu verwenden, wenn auch alle BIPoC* gemeint sind. Ansonsten sollte auf die spezifische Selbstbezeichnung der Gruppe zurückgegriffen werden, um die es geht. Außerdem wird die Übertragung des Begriffs in den deutschen Kontext kritisch betrachtet, da die Begriffe „Black“ und „Indigenous“ oft stark auf den US-amerikanischen Hintergrund bezogen sind. Kritiker:innen fordern eine stärkere Berücksichtigung spezifischer deutscher Rassismusstrukturen, etwa der deutschen Kolonialgeschichte, der kolonialen Beziehungen zu Osteuropa, von Antislawischen Rassismus oder Migration.
Siehe auch Afrodeutsch, Anti-Indigener Rassismus, Colorism, Critical Whiteness, People of Color und Rassismus
Bemalt sich eine nicht-Schwarze Person das Gesicht mit brauner oder schwarzer Farbe oder Schminke, um eine Schwarze Figur oder Person darzustellen, z.B. in Filmen oder Theaterstücken, wird von Blackfacing bzw. Blackface gesprochen. Der Begriff Blackfacing (dt. sich das Gesicht schwärzen) stammt aus den USA und geht auf die dort weit verbreiteten Minstrel Shows zurück, die in den 1820er Jahren in den Vierteln weißer Arbeiter:innen der Nordstaaten entstanden. In diesen karikierten weiße Schauspieler:innen Sprache, Tanz und Alltag von Afroamerikaner:innen und bemalten dafür einerseits ihr Gesicht mit schwarzer Schuhcreme und andererseits ihre Lippen mit einem knalligen Rot. Das Format ermöglichte es, den Schauspieler:innen einerseits Kritik am herrschenden weißen Bürgertum zu üben, soziale Konventionen, Rollen und Grenzen zu überschreiten, sich den Anforderungen der beginnenden Industrialisierung anzupassen und neu angekommene Einwanderer:innen z.B. aus Irland, Italien oder Osteuropa in das US-amerikanische Weißsein zu integrieren. Andererseits wurden diese Funktionen nur durch Stereotypisierung und Abwertung Schwarzer Menschen erreicht.
Blackface-Performances breiteten sich in den 1850er Jahren im gesamten englischsprachigen Raum und darüber hinaus aus, z.B. nach Kuba und Südafrika. Durch Theater- und Musikensembles mit weißen und Schwarzen Mitgliedern, die durch Europa tourten, gelangten sie u.a. auch nach Deutschland, wo für den Dezember 1878 in Berlin die erste bekannte Blackface-Performance im Rahmen einer Aufführung des Theaterstücks Onkel Toms Hütte nachgewiesen ist. In den 1910er und 1920er Jahren fand Blackface Eingang in den entstehenden deutschen Film und wurde zu einem gängigen Stilmittel. Schwarze Charaktere dienten dabei durchgehend als Projektionsflächen für die weiß-deutsche Dominanzgesellschaft. Während Blackface in den USA in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunehmend unüblich und als rassistisch erkannt wurde, blieb es in deutschen Theatern unhinterfragte Praxis. Erst im Jahr 2011 erreichte die Kritik an Blackface anlässlich einer Aufführung am Deutschen Theater in Berlin und weiteren ähnlichen Auftritten in den folgenden Jahren auch die breitere Öffentlichkeit in Deutschland. 2015 wurde der Begriff zum Anglizismus des Jahres gekürt, weil es bis dahin im Deutschen gar keine Bezeichnung für die rassistische Praxis gab. Seit 2020 geht auch das Soziale Netzwerk Facebook verstärkt gegen Blackface vor und hat entsprechende Fotos auf der Plattform verboten.
Der häufige Hinweis darauf, dass es sich bei Blackface um eine Praxis aus den USA handle, die daher in Deutschland nicht rassistisch sei, geht angesichts der inzwischen langen eigenständigen Tradition von Blackface in Deutschland fehl. Denn Blackface erfüllte auch in Deutschland für die weiß-deutsche Dominanzgesellschaft die Funktion der Projektion, ging (und geht) einher mit dem gleichzeitigen Ausschluss Schwarzer Menschen aus vielen Lebensbereichen und verstärkte die Marginalisierung Schwarzer Schauspieler:innen im Theater, Film und Fernsehen (Institutioneller Rassismus). Zudem ignoriert diese Argumentation die Kritik betroffener Menschen, die wiederholt auf die verletzende Wirkung von Blackface hingewiesen haben. Diese Kritik erstreckt sich auch auf das Schwarzschminken im Rahmen anderer Traditionen wie z.B. beim Sternsingen und im Karneval.
Siehe auch Kulturimperialismus, Redface, Repräsentationsverhältnisse, Symbolische Macht und Yellowface
BlackLivesMatter (engl. Schwarze Leben zählen, abgekürzt: BLM) ist eine ursprünglich in den USA entstandene Graswurzel-Bewegung. Sie setzt sich gegen strukturellen Rassismus und insbesondere gegen rassistische Polizeigewalt und für die Abschaffung der Polizei und des Gefängnissystems in den USA ein. Inzwischen ist aus ihr die Black Lives Matter Global Network Foundation entstanden. Ihr Ziel ist es, Weiße Vorherrschaft zu brechen und gegen Gewalt gegenüber Schwarzen Communitys zu intervenieren.
Ins Leben gerufen wurde der Hashtag #BlackLivesMatter am 13. Juli 2013 durch die Anwältin Alicia Garza und die Bürgerrechtsaktivist:innen Patrisse Cullors-Bignac und Opal Tometi. Unmittelbarer Auslöser war der Freispruch des weißen Wachmanns George Zimmerman im selben Jahr. Er hatte ein Jahr zuvor den 17-jährigen Schwarzen Trayvon Martin entgegen der Anordnung der Polizei verfolgt und dann erschossen, weil er ihn für einen Dieb hielt. Nach der Ermordung des Afroamerikaners George Floyd am 25. Mai 2020 durch einen weißen Polizisten in Minneapolis (Minnesota) kam es unter dem Motto „Black Lives Matter“ weltweit zu Demonstrationen, die sich mit der Bewegung in den USA solidarisch erklärten. Parallel dazu gab es auch in Deutschland abwehrende Reaktionen auf die Thematisierung von Rassismus, die u.a. in dem Slogan „All Lives Matter“ zum Ausdruck kamen.
Kritiker:innen monieren, dass es aus Teilen der dezentralen Bewegung heraus regelmäßig zu antisemitischen Äußerungen und auch zu Übergriffen auf Juden:Jüdinnen und jüdische Einrichtungen gekommen ist.
Siehe auch Weiße Zerbrechlichkeit
Der Begriff Bodyismus bezeichnet Diskriminierung und Dominanz gegen Menschen, deren Körper von gesellschaftlichen Norman abweicht. Dabei wirken vielfältige Körper-, Schönheits- und Gesundheitsnormen. „Gutes Aussehen“ und ein „gesunder“ Körper sind in unserer Gesellschaft enorm wichtig, um erfolgreich zu sein und ernst genommen zu werden. Vorherrschende Vorstellungen davon, was schön und gesund ist, sind kulturell gewachsen, sehr variabel, unterschiedlich zwischen verschiedenen Gesellschaften und verändern sich mit der Zeit. Beispielsweise entsprachen mehrgewichtige Frauen in der Geschichte schon den Schönheitsidealen, aktuell aber im globalen Norden nicht.
Diese (häufig sexistischen und rassistischen) Normen und Ideale bezüglich des Körpers werden durch Mediendarstellungen wie Werbung oder Influencer:innen geprägt und festgelegt. Menschen, die aus diesen Normen fallen, werden dafür oft psychisch oder physisch angegriffen (Fettfeindlichkeit) und strukturell – also auf interaktionaler, institutioneller und gesellschaftlich-kultureller Ebene – diskriminiert. Dahinter stecken häufig Vorstellungen von Leistung und Selbstoptimierung im Sinne einer ökonomischen Nutzbarmachung und Produktivität von Menschen. Manchmal werden auch Personen, die aktuellen Vorstellungen von Attraktivität durchaus entsprechen bodyistisch abgewertet, weil die Abwertung anhand äußerer Merkmale eine sehr verletzende Beleidigung ist in einer Welt, die „Schönheit” einen großen Wert beimisst.
Ein eng verwandtes Konzept ist Lookismus. Im Unterschied zu Bodyismus bezieht sich Lookismus spezifisch auf Schönheitsideale, während Bodyismus weitere Aspekte wie Leistungsfähigkeit einbezieht. Bodyismus ist eng mit anderen Diskriminierungsformen verknüpft, etwa mit Rassismus, Sexismus, Ableismus, Klassismus und Altendiskriminierung. In der Geschichte des Rassismus wurden Schönheitsideale immer wieder eingesetzt, um „Rassen“ zu hierarchisieren. Auch heute wird vielfach Schönheit implizit immer noch mit Weißsein gleichgesetzt. Diese Erbschaft des Rassismus wirkt insbesondere noch in ehemals kolonisierten Gesellschaften nach und wird durch die kulturelle Hegemonie der westlichen Welt aufrechterhalten (siehe Kolonialismus, Kulturimperialismus und epistemische Gewalt).