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Glossar

Im Glossar erläutert IDA zentrale Begriffe aus seinen Arbeitsbereichen kurz und verständlich. Das Glossar wird kontinuierlich erweitert und aktualisiert. Sie vermissen einen Begriff? Schreiben Sie uns einfach an Info(at)IDAeV.de.

Farbenignoranz

Wenn eine Person sich als „farbenblind“ im Hinblick auf Rassismus beschreibt, möchte sie damit aussagen, dass sie die „Hautfarbe“ einer Person nicht wahrnimmt und diese in ihren Denkmustern und Verhaltensweisen scheinbar keine Rolle spielt. Dabei wird auf die Gleichheit aller und vermeintliche Chancengleichheit verwiesen. Solch ein farbenignoranter Rassismus wird noch häufig als „Farbenblindheit“ (engl. color blindness) oder „farbenblinder“ Rassismus bezeichnet, was jedoch eine ableistische Abwertung von Blindheit beinhaltet.

Der Ansatz der „Farbenblindheit“ wird sehr kritisch diskutiert, da er tatsächlich nicht dazu führt, dass bestehender Rassismus reduziert wird. Stattdessen führt Farbenignoranz dazu, dass Rassismus als andauerndes Problem bestritten und zu einem Problem der Vergangenheit erklärt wird. Folglich verhindert Farbenignoranz, dass rassistische Strukturen und Denkmuster bekämpft werden. Bestehende Machtverhältnisse in Form von Privilegien, Zugängen und Ressourcen für weiß-gelesene Menschen werden stattdessen mit positiven Eigenschaften der weißen Person begründet (z. B. hart arbeitend) und der Einfluss rassistischer Gesellschaftsstrukturen ignoriert. Mit dieser Aufwertung der weiß gelesenen Personen geht oft eine gleichzeitige Abwertung von BIPoC* einher, die auf Stereotypen, Vorurteilen und sonstigen ethnisierenden, kulturalisierenden bzw. rassistischen Erklärungen beruht (z .B. Faulheit). Die Berufung darauf „Hautfarbe“ nicht zu sehen kann zudem eine bewusste oder unbewusste Ablenkungsstrategie sein, wenn auf institutionellen, strukturellen Rassismus oder Alltagsrassismus aufmerksam gemacht wird. Die betreffende weiße Person nutzt dann ihr Privileg, sich aussuchen zu können, ob sie sich mit Rassismus beschäftigt, und spricht überdies einem*r BIPoC* einen Teil ihrer Person und Lebensrealität ab.

Siehe auch White Tears, Weiße Zerbrechlichkeit (White Fragility), Essentialisierung, Gaslighting, Othering, Weiße Privilegien

 

Faschismus

Der Begriff Faschismus, abgeleitet vom italienischen fascio, deutsch: Bündel (Amtszeichen der Leibwachen im antiken Rom), beschreibt eine politische Bewegung, die Anfang des 20. Jahrhunderts in Italien entstand. Als Führer der Faschisten galt Benito Mussolini, der 1922 – nur kurz nach der Gründung der Partito Nazionale Fascista (National-faschistische Partei) – gewaltsam die Macht übernahm. Merkmale des italienischen Faschismus waren neben dem Führerkult („Duce“) und dem absoluten Willen zur Macht eine nationalistische sowie antikommunistische, antidemokratische und antipluralistische Einstellung. Zwar diente der italienische Faschismus den deutschen Nationalsozialist:innen in vielerlei Hinsicht als Vorbild, dennoch unterscheiden sich Nationalsozialismus und Faschismus  voneinander. Mit Faschismus sind nicht zwingend völkischer Rassismus und Antisemitismusverbunden. Eine Gleichsetzung kann damit zu einer (auch unbeabsichtigten) Verharmlosung der besonderen rassistischen und antisemitischen Qualität des Nationalsozialismus beitragen. Heutige extrem rechte Bewegungen, die in Zielsetzung und Ideologie an die Epoche des Faschismus anknüpfen, werden gelegentlich unter dem strittigen Begriff Neofaschismus zusammengefasst.

Siehe auch Neofaschismus, Rassismus und Antisemitismus

 

Feminismus

Der Feminismus strebt nach einer Gesellschaft, in der Menschen, die als Frauen wahrgenommen werden auf allen Ebenen die gleichen Rechte, die gleiche Wertschätzung und die gleichen Chancen erhalten wie Männer. Dabei bezeichnet er sowohl eine politische und soziale Theorie, die gemachte Geschlechterdifferenzen und -ungerechtigkeiten in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellt, als auch eine soziale Bewegung, die für die Gleichstellung der Frauen und gegen das Patriarchat kämpft. Denen Begriff Feminismus gibt es seit dem 19. Jahrhundert, als Frauen, die damals noch um das Wahlrecht und ihre Anerkennung als politische Subjekte kämpften, begannen, sich selbst als Feministinnen zu bezeichnen. Den Kampf gibt es allerdings schon länger; seit der Aufklärung und den Bürgerrechtsbewegungen, die Frauen von vornherein ausschlossen. Heute wird der Begriff auch abwertend benutzt, wenn Frauen weiterhin auf männliche Privilegien und Vormachtstellungen hinweisen. Es geht und ging allerdings nie darum, Männer zu beherrschen oder zu unterdrücken, sondern darum, für die Gleichwertigkeit der Geschlechter einzutreten, die vielerorts immer noch nicht erreicht ist.

Siehe auch Antifeminismus, Gender und Sexismus

Flucht

Unfreiwillige, erzwungene Migration wird Flucht genannt. Binnenflucht bezeichnet dabei die Flucht innerhalb eines Landes. Die meisten geflohenen Menschen bleiben im Herkunfts- oder in den Nachbarländern. Nach internationalem Recht ist ein Flüchtling jemand, der aufgrund von staatlicher Verfolgung (etwa aufgrund der Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe) sein oder ihr Land verlassen musste oder von der Regierung des Herkunftslandes keinen Schutz bei Verfolgung erwarten kann. Diese eng gefasste Definition wird oft kritisiert, weil auch Menschen, die bspw. aufgrund von extremer Armut oder Umweltkatastrophen ihr Land verlassen müssen, fliehen. Diese Art der Flucht wird oft nicht anerkannt und etwa als „Wirtschaftsmigration“ verharmlost. Begrifflichkeiten in diesem Themenfeld werden häufig genutzt, um die Migration von Menschen zu (de)legitimieren. Während bspw. bei Migration u.a. aus wirtschaftlichen Gründen innerhalb der EU von „Mobilität“ gesprochen und dieser Umstand positiv konnotiert wird, wird Migration aus wirtschaftlichen Gründen in die EU häufig als „Wirtschaftsflucht“ betitelt und damit implizit als ungerechtfertigt dargestellt.

Siehe auch Asyl

Fremdenfeindlichkeit

„Fremdenfeindlichkeit“ ist ein sozialpsychologisches Konzept und wird als Dimension Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit betrachtet. Es bezeichnet eine ablehnende Haltung und Verhaltensweise gegenüber Menschen, denen eine nicht-deutsche Nationalität oder Ethnizität, eine nicht-christliche Religion bzw. Sozialisation oder eine nicht-weiße Hautfarbe zugeschrieben wird oder die eine solche haben. Aufgrund dieser Eigenschaften und Merkmale werden die Betroffenen als „fremd“ und bedrohlich wahrgenommen, benachteiligt, angefeindet oder tätlich angegriffen.

Aus rassismuskritischer Perspektive wird der Begriff kritisiert und es wird stattdessen von Rassismus gesprochen. Denn zum einen markiert der Begriff unabhängig davon, ob es sich bei den betroffenen Personen um deutsche Staatsangehörige handelt oder nicht, diese als „fremd“ und wiederholt dadurch den Ausschluss. Zum anderen unterstellt der Begriff unter Ausblendung anderer Ebenen von Rassismus einen Vorrang der individuellen Einstellungsebene und eine Konzentration auf bewusste feindselige Handlungen.

Siehe auch Othering und Rassifizierung

Fremdzuschreibung

Eine Fremdzuschreibung ist die Zuweisung einer Eigenschaft, sozialen Position oder Zugehörigkeit beziehungsweise Identität durch eine andere Person oder Gruppe. Zuschreibungen geschehen entlang von Kategorien wie Ethnizität, Nation, aber auch Gender und Klasse. Dabei können Fremdzuschreibungen diskriminieren, wenn die zugewiesene Zugehörigkeit mit Stereotypen und Vorurteilen verknüpft ist oder die Zuschreibung im Widerspruch zur Selbstidentifikation einer Person steht; jemand wird beispielsweise als männlich gelesen, obwohl die Person sich selbst als Frau positioniert; oder Personen werden aufgrund ihres Erscheinungsbildes migrantisiert, ohne eine Migrationsgeschichte zu haben. Die Zuschreibung einer (vermeintlichen) Ethnizität bezeichnet man als Ethnisierung. Wenn die Fremdzuschreibung keine ethnische, sondern eine kulturelle Grundlage hat, wird die Bezeichnung Kulturalisierung verwendet. Durch eine ständige Konfrontation mit Zuschreibungen (siehe auch: Othering) können diese verinnerlicht, ins Selbstbild integriert und damit zu Selbstzuschreibungen werden. Wird das eigene Selbstbild durch rassistische und diskriminierende Fremdzuschreibungen dominiert, spricht man vom doppelten Bewusstsein.