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Glossar

Im Glossar erläutert IDA zentrale Begriffe aus seinen Arbeitsbereichen kurz und verständlich. Das Glossar wird kontinuierlich erweitert und aktualisiert. Sie vermissen einen Begriff? Schreiben Sie uns einfach an Info(at)IDAeV.de.

Kapitalismus

Der Kapitalismus ist eine Wirtschafts- und Gesellschaftsform, die gekennzeichnet ist von der enormen Bedeutung von Privateigentum für die Produktion, der Lohnarbeitsabhängigkeit großer Bevölkerungsteile und des Interesses der Produktionsmittelbesitzer:innen (Kapitalist:innen) an Profitmaximierung als wirtschaftliche Triebkraft. Kapitalismus funktioniert daher nur durch Ausbeutung und ist nicht an gesellschaftlichen Bedürfnissen ausgerichtet.

Neben der Notwendigkeit einer stetig wachsenden und effizienten Produktionsmaschinerie ist der Kapitalismus zugleich auf den anhaltenden Konsum dieser Produkte angewiesen. Das Privatleben wird somit zunehmend durchKonsumentscheidungen und -möglichkeiten bestimmt.

Daher wird dem Kapitalismus auch eine kulturelle Kraft zugeschrieben, denn kapitalistische Denk- und Handlungsweisen haben in Form von Effizienz-, Optimierungs- und Konsumdenken auch Eingang in die Alltags- und Lebensgestaltung gefunden. Zugleich ist der Kapitalismus als eine wesentliche Bedingung für die Herausbildung und Aufrechterhaltung von Machtverhältnissen wie Rassismus zu betrachten, die die Moderne kennzeichnen.

Mit dem Begriff kapitalistisch werden Denkweisen und Handlungen bezeichnet, die dem Kapitalismus entsprechen und zuarbeiten. Antikapitalistisch sind Denkweisen und Handlungen, die ihn ablehnen und beenden wollen.

Klasse

Als eine Klasse werden Bevölkerungsgruppen mit einer von ökonomischen Verhältnissen bestimmten gemeinsamen Stellung in der gesellschaftlichen Sozialstruktur bezeichnet. Nach Karl Marx bilden sich die Klassen aufgrund der Arbeitsteilung und ungleichen Eigentumsverteilung. Klasse ist somit die analytische Kategorie der Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe. Es gibt jedoch zahlreiche weitere Klassentheorien, die versucht haben, den Marx’schen Klassenbegriff weiterzuentwickeln, auch andere als ökonomische Kriterien für Klasse zu berücksichtigen und den Klassenbegriff analytisch zu präzisieren, wie z. B. Max Weber, Pierre Bourdieu und Erik Olin Wright.

Klassismus

Der Begriff Klassismus bezeichnet die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres (zugeschriebenen) ökonomischen, sozial- oder bildungspolitischen Status bzw. ihrer (zugeschriebenen) ökonomischen, sozial- oder bildungspolitischen Herkunft. Dies kann auf interaktionaler, institutioneller oder auch gesellschaftlich-kultureller Ebene stattfinden.

Kolonialismus

Als Kolonialismus wird die staatlich geförderte oder betriebene Besetzung eines Gebietes und die Fremdherrschaft über die dort ansässige Bevölkerung bezeichnet. Historisch lag die Hochzeit des Kolonialismus zwischen dem 15. und dem 20. Jahrhundert, als europäische (und später US-amerikanische und australische) Menschen begannen, die Afrika, Teile Asiens und Amerika zu besiedeln und auszubeuten. Dabei unterdrückten, versklavten und töteten sie die lokale Bevölkerung und legitimierten dies mit einer rassistischen Ideologie, die ihre angebliche biologische, zivilisatorische und religiöse Überlegenheit behauptete. Auch das Deutsche Kaiserreich hatte mehrere Kolonien in Asien und Afrika. Bis in die 1970er Jahre hinein weigerten sich europäische Regierungen, den kolonisierten Gebieten ihre Unabhängigkeit zuzugestehen. Die Folgen des Kolonialismus sind noch heute spürbar – sowohl in den kolonisierten als auch ehemals kolonisierenden Gesellschaften.

Siehe auch Postkolonialismus und Rassismus

Kritisches Weißsein

Kultur

Kultur ist ein mehrdeutiger Begriff, der sich um die Gesamtheit der materiellen und immateriellen Ergebnisse menschlicher Wirkens dreht. Der enge Kulturbegriff bezieht sich auf Kunst und Geisteskultur, der weite auf die Lebenswelt des Menschen. Im Gegensatz zu klassischen Definitionen einer weitgehend homogenen, statischen und in sich geschlossenen Kultur (Kulturalismus), die als Kollektiv verstanden wird, wird heute hervorgehoben, dass Kultur einem ständigen Veränderungsprozess unterliegt, in sich heterogen ist, nicht an ein bestimmtes Territorium gebunden und fließend ist. Menschen werden zudem als mehreren „Kulturen“ zugehörig betrachtet (z. B. Nationalität, Organisation, Religion, Generation, Familie), die durch zahlreiche Differenzlinien und mit ihnen verbundene Erfahrungen gebrochen sind. In diesem Sinne wird unter Kultur diejenige Lebenswelt verstanden, die eine Person als „eigene“ definiert, weil sie Normalität und Plausibilität bietet und soziales Routinehandeln ermöglicht.

Siehe auch Kulturalisierung und Neorassismus

Kulturalisierung

Unter Kulturalisierung wird die Praxis verstanden, Kultur als wesentliche, zentrale und determinierende Erklärung für (individuelle) Handlungen, Einstellungen, Verhaltensweisen, Konflikte oder Ausdrucksweisen zu verstehen. Häufig wird dabei der Kulturbegriff ethnisiert und Menschen werden beispielsweise auf ihre – angebliche – „türkische Kultur“ festgeschrieben. Dadurch werden sie in ihrer Vielfältigkeit und Komplexität nicht wahrgenommen, sondern ausschließlich auf eine (vermeintliche oder tatsächliche) kulturelle Zugehörigkeit reduziert. Dass es sich hierbei häufig um Fremdzuschreibungen und nicht um die eigene subjektive Identifikation handelt, gerät bei kulturalisierenden Interpretationen der Wirklichkeit häufig aus dem Blick. Durch Kulturalisierungen werden die Dichotomisierung (Zweiteilung) der Gesellschaft in Zugehörige („Wir“) und Nicht-Zugehörige („die Anderen“) verstärkt (Othering) und Stereotype und Zuschreibungen reproduziert.

Siehe auch Kulturalismus, Naturalisierung und Neorassismus

Kulturalismus

Als Kulturalismus lassen sich kulturalisierende Denkweisen bezeichnen, in denen Kultur als funktionales Äquivalent von „Rasse“ dient.

Siehe Kulturalisierung, Naturalisierung und Neorassismus

Kulturelle Aneignung

Als kulturelle Aneignung (engl. cultural appropriation) wird ein Prozess bezeichnet, bei dem Elemente einer Kultur enteignet und aus dem Zusammenhang gerissen in einen anderen Kontext gesetzt werden. In großem Maße ist das während des Kolonialismus passiert: Noch heute befinden sich während der Kolonialzeit geraubte Gegenstände in westlichen Museen, oftmals wird ihre Bedeutung für die jeweilige Kultur nicht oder unzutreffend dargestellt. Symbole und Gegenstände werden exotisiert und sich von Menschen angeeignet, die oftmals ihre Bedeutung und Geschichte nicht kennen. Häufig wird dabei die Geschichte der Unterdrückung und Gewalt ausgeblendet, die dazu geführt hat, dass diese Aneignung erst möglich wurde. Das Tragen von bestimmten Symbolen wurde bei der kolonisierten Bevölkerung einst gewaltvoll bestraft (und wird auch heute noch oft genug mit Diskriminierung, Ausschluss und Othering sozial sanktioniert). Wenn nun die Nachkommen der Unterdrücker:innen und Mitglieder einer Mehrheitsgesellschaft, die immer noch Anpassung von Minderheiten fordert, völlig sorglos und unkritisch diese Symbole tragen, eignen sie sich erneut die Deutungshoheit darüber an (epistemische Gewalt). Das ist nur aufgrund postkolonialer Kontinuitäten möglich, die aber oftmals nicht entsprechend (an)erkannt werden. Deswegen bedarf es auch auf der individuellen Ebene Sensibilität, was bspw. das Tragen bestimmter Kleidungen und Frisuren betrifft. An die Stelle der unreflektierten Aneignung, weil etwas als „schön“ wahrgenommen wird, könnte wertschätzendes Interesse bezüglich der Herkunft und Bedeutung treten.

Siehe auch Anerkennung, Critical Whiteness, Exotisierung, Postkolonialismus

Kulturimperialismus

Unter Kulturimperialismus wird die zielstrebige und systematische Ausweitung eines kulturellen Macht- und Einflussbereiches verstanden. Dabei werden andere kulturelle Erfahrungsräume verdrängt und untergeordnet.

Für Iris Marion Young ist Kulturimperialismus eine der fünf Formen der Unterdrückung (im Sinne von struktureller Diskriminierung). Er zeichnet sich dadurch aus, dass die Erfahrungen, das Wissen und die kulturellen Praktiken der herrschenden Gruppe universalisiert und zur Norm gemacht werden (siehe auch Dominanz und Dominanzgesellschaft), während von struktureller Diskriminierung betroffene Menschen verandert, stereotypisiert und unsichtbar gemacht werden. Dadurch leistet Kulturimperialismus dem Phänomen des doppelten Bewusstseins Vorschub.

Kulturimperialismus zeigt sich beispielsweise, wenn weiße Menschen BIPoC* ihre Rassismuserfahrungen absprechen (sekundärer Rassismus), oder wenn in eine Einrichtung Religion zur Privatsache erklärt, sich aber gleichzeitig nur christliche Feiertage zu eigen macht.

Siehe auch Ausbeutung, epistemische Gewalt, Gewalt, Machtlosigkeit und Marginalisierung.

Kulturrassismus