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Glossar

Im Glossar erläutert IDA zentrale Begriffe aus seinen Arbeitsbereichen kurz und verständlich. Das Glossar wird kontinuierlich erweitert und aktualisiert. Sie vermissen einen Begriff? Schreiben Sie uns einfach an Info(at)IDAeV.de.

Weiß / Weißsein

Mit weiß ist nicht unbedingt die Schattierung der Haut eines Menschen gemeint, sondern die Positionierung und soziale Zuschreibung als weiß in einer rassistisch strukturierten Gesellschaft. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass durch Rassifizierung und Rassismus nicht nur rassistisch diskreditierbare Menschen, sondern auch rassistisch nicht diskreditierbare Menschen positioniert werden. D. h. Rassismus weist auch weißen Menschen strukturell einen bestimmten sozialen Ort zu. Dieser Ort ist verbunden mit Privilegien, Dominanzerfahrungen und der Erfahrung als Maßstab zur Beurteilung nicht-weißer Menschen zu fungieren, ohne selbst als weiß markiert zu werden. Wer als weiß gilt und wer nicht variiert historisch, sozial und geografisch. Dennoch ist Weißsein historisch und gesellschaftsstrukturell verankert, so dass es keine Frage der freien Entscheidung ist, ob weiße Menschen Vorteile aus dieser Positionierung ziehen und ob sie Dominanz ausüben können. Die Bezeichnung weiß dient also dazu, diese in der Regel unmarkiert bleibende Positionierung weißer Menschen – mit ihren in der Regel für sie unsichtbaren Folgen – sichtbar zu machen. Erst dadurch lassen sich bestehende Machtverhältnisse und Normalitätsvorstellungen beschreiben, analysieren, reflektieren und verändern, ohne dass Positionierungen als natürliche Eigenschaften von Menschen erscheinen. Um diese Zusammenhänge deutlich zu machen, wird in diesem Glossar weiß stets kursiv gesetzt. Andere Autor:innen schreiben das Adjektiv in Analogie zu Schwarz groß.

Siehe auch Critical Whiteness und Selbstzuschreibung

Weiße Privilegien

Mit weißen Privilegien (White Privilege) sind die unhinterfragten und unverdienten Vorteile, Ansprüche und Privilegien gemeint, die weißen Menschen aufgrund ihrer machtvollen Positionierung in der rassistischen Machtstruktur der Gesellschaft zuteilwerden. In unserem gesellschaftlichen System ist Weißsein die Norm und der unsichtbare Maßstab, gegenüber dem BIPoC* als Abweichung erscheinen. Für Personen, die Rassismus erfahren, ist Weißsein keine unsichtbare Norm, sondern bedeutet eine kontinuierliche Konfrontation. Doch für Personen mit weißenPrivilegien ist diese normstiftende Position nur schwer zu fassen. Deshalb ist es ein Ziel der Whiteness Studies, die für weiße Menschen oft unsichtbare Norm des Weißseins und weiße Privilegien zu demaskieren.

Siehe auch Critical Whiteness

Weiße Vorherrschaft

Weiße Vorherrschaft (White Supremacy) ist eine Ideologie, die von der Überlegenheit weißer Menschen ausgeht und diese gleichzeitig als bedroht ansieht. Die White Supremacy ist ein sich selbst aufrechterhaltendes System, das Kolonialismus, Ausbeutung, Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Rassismus reproduziert und gleichzeitig verschleiert. In einer Gesellschaft der weißen Vorherrschaft sind weiße Menschen grundlegend privilegiert, während People of Color ausgegrenzt und abgewertet werden. In der Critical Race Theory wird der Begriff White Supremacy auch als Beschreibung für ein politisches, kulturelles und soziales System genutzt, in dem Weiße wirtschaftliche Ressourcen und Machtzugänge kontrollieren.

Weiße Zerbrechlichkeit (White Fragility)

Weiße Zerbrechlichkeit (engl. white fragility) ist eine Reaktion weiß positionierter Menschen auf die Auseinandersetzung mit der Realität des Rassismus als einer gesellschaftlichen Struktur, der eigenen Verwicklung und den rassistischen Wirkungen des eigenen Verhaltens. Sie ist eine meist unbewusste Strategie, um diese Auseinandersetzung abzuwehren. Sie resultiert aus dem Umstand, dass weiß positionierte Menschen nur selten mit Rassismus, unbewussten Rassismen oder ihren Privilegien konfrontiert werden und daher nicht gelernt haben, damit auf eine angemessene und konstruktive Weise umzugehen.

Weiße Zerbrechlichkeit kann sich äußern in Wut, Verärgerung, Weinen, Rückzug, Abschalten, Ignoranz, usw. Die Folge ist, dass die Person, die Rassismus anspricht, zum:zur Täter:in gemacht wird, während sich das Gegenüber in die Opferrolle begeben kann. Dadurch nimmt das Gegenüber mehr Zeit und Aufmerksamkeit dafür in Anspruch, dass ihre emotionalen oder Verhaltensreaktionen bearbeitet werden, als dass über Rassismus oder rassistische Wirkungen gesprochen werden kann, die ihre Sprache und Verhalten möglicherweise zeitigt. Weiße Zerbrechlichkeit verunmöglicht auf diese Weise eine aufrechte Auseinandersetzung mit Rassismus, den eigenen Privilegien und der Verantwortung weiß positionierter Menschen. Stattdessen kann das Selbstbild einer guten, liberalen und „weltoffenen“ Person aufrechterhalten werden. Dadurch führt weiße Zerbrechlichkeit dazu, dass rassistische Machtverhältnisse aufrechterhalten bleiben. Weiße Perspektiven auf Rassismus bleiben dominant, wodurch weiße Definitionsmacht und Dominanz bestätigt werden. Um diesen negativen Zirkel zu durchbrechen, ist es essenziell, dass weiße Menschen lernen, Feedback konstruktiv entgegen zu nehmen.

Siehe auch Critical Whiteness, Sekundärer Rassismus

Weißer Blick (White Gaze)

Der Begriff white gaze (dt. weißer Blick) geht auf die afroamerikanische Schriftstellerin Toni Morrison zurück. Diese beobachtete, dass die meisten Bücher für eine weiße Leser:innenschaft geschrieben werden, der:die weiße Leser:in somit als stillschweigend vorausgesetzte „Standard-Leser:in“ gilt. Der white gaze beschreibt demnach eine Perspektive, die lediglich die Lebensrealitäten, Normvorstellungen und Wahrnehmungen weißer Menschen wiedergibt, gleichzeitig die aller anderen Menschen ausschließt, weil sie sie nicht als Teil der Norm wahrnimmt. Dadurch reproduziert der white gaze Rassismen. Diese weiße Perspektive beeinflusst auch BIPoC* Autor:innen, weil sie ebenfalls in die rassistischen Diskurse der Gesellschaft verstrickt sind. Morrison und andere Autor:innen erläutern, dass der Einfluss des white gaze sich darin zeigt, dass auch sie sich teils unbewusst Gedanken über die Rezeption ihrer Werke durch weiße Leser:innen oder Zuschauer:innen machen oder aktiv darauf achten rassistische Klischees nicht zu reproduzieren. Jedoch verweist Morrison darauf, dass Autor:innen und Künstler:innen sich durch das Bewusstmachen dieses Einflusses durchaus vom white gaze befreien können.

Siehe auch Dekolonisierung, Doppeltes Bewusstsein und Critical Whiteness

Whataboutism

Der Begriff Whataboutism leitet sich aus einer englischen Redewendung ab, die mit „Was ist denn mit…?“ übersetzt werden kann.                                                                                                        Diese Gesprächsstrategie kann häufig in Diskussionen zum Thema Rassismus beobachtet werden. So wird zum Beispiel beim Adressieren rassistischer Diskriminierung mit dem Hinweis auf andere vermeintliche Diskriminierungserfahrungen reagiert. Dies dient der Ablenkung und Relativierung von Rassismuserfahrungen bzw. Erfahrungen marginalisierter Gruppen.

In diesem Fall stellt Whataboutism einen weißen Abwehrmechanismus dar und bildet eins der unterschiedlichen Reaktionsmuster von white fragility.                                                                

Bei Whataboutism handelt es sich also um ein rhetorisches Ablenkungsmanöver, bei dem eine kritische Frage oder ein Argument mit einer Gegenfrage erwidert wird, um vom Thema der Diskussion abzulenken. Die anfängliche Aussage wird mit einer Gegenaussage relativiert, die nichts mit der Ursprungsaussage zu tun hat. Durch die Ablenkung leitet das Gegenüber ein neues Thema ein und es soll verhindert werden, dass die Argumente zum ursprünglichen Thema kritisiert werden. Möglichkeiten Whataboutism zu begegnen sind, sich nicht provozieren zu lassen, den fehlenden Zusammenhang zu benennen, auf das Ablenkungsmanöver hinzuweisen und beim eigentlichen Thema zu bleiben.

White Tears

White tears, zu Deutsch: weiße Tränen, ist zum einen der Titel des im Jahre 2017 erschienenen Romans des britischen Schriftstellers Hari Kunzru und zum anderen ein ironischer Begriff aus Amerika, der das Phänomen beschreibt, dass Weiße sich über Klagen von Schwarzen beschweren, wenn sie ihr weißes Privileg in Gefahr sehen.

Siehe auch white gaze und white washing

White Washing

White Washing (dt. Schönfärberei, wörtlich Weißwaschen), beschreibt in der Film- und Theaterbranche das Phänomen, dass nicht-weiße Charaktere mit weißen Schauspieler:innen besetzt werden oder weiße Figuren erfunden werden, um die Geschichte dann aus ihrer Perspektive zu erzählen. Auf diese Weise werden BIPoC* unsichtbar gemacht. Was heute als Rassismus und kulturelle Aneignung kritisiert wird, hatte bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts Tradition. Ein Beispiel aus deutscher Sicht liefert hierfür die Winnetou-Reihe, in der Winnetou vom weißen Franzosen Pierre Brice gespielt wurde. Das umgekehrte Verhältnis (weiße Charaktere werden mit BIPoC* Schauspieler:innen besetzt) hat dagegen Seltenheitswert.

Siehe auch White Gaze

Woke

Der Begriff stammt aus dem African American vernacular (umgangssprachliches) English und knüpft an den US-amerikanischen Horrorfilm „Get out“ an (siehe Sunken Place). Er bezeichnet BIPoC* wie auch weiß positionierte Menschen, die sich rassistischer Prozesse und Strukturen sowie eigener verinnerlichter Anteile bewusst werden bzw. geworden sind und sich selbstkritisch mit diesen auseinandersetzen, werden als „woke“ (engl. wach, erwacht) bezeichnet. Das zugehörige Substantiv ist Wokeness. Inzwischen nutzen auch extrem rechte bis konservative Akteur:innen in Deutschland den Begriff, um Kritik an Rassismen als eine Art Verschwörungsglauben zu diskreditieren. In dieser Funktion als Feindbild hat er teilweise den Begriff der „politischen Korrektheit“ abgelöst.