Häufig wird gefragt: Wer wählt die AfD oder sympathisiert mit ihr? Die Beantwortung dieser Frage sagt aber noch wenig darüber aus, warum ein Teil der Bevölkerung offen für die Politikangebote der AfD ist. Lassen sich Menschen vor allem mobilisieren, weil sie von den wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre abgehängt wurden? Wollen sie den demokratischen Parteien einen „Denkzettel“ verpassen? Oder ist die Partei für Menschen interessant, die sich mit ihren Ungleichwertigkeitsideologien in der Programmatik der Partei und den Aussagen ihrer Vertreter:innen wiederfinden?
Axel Salheiser ist Wissenschaftlicher Referent am Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena und Co-Autor des Thüringen-Monitors. In der Einführungsveranstaltung zeigte er auf, dass sich die Wahlerfolge der AfD nicht überwiegend durch die individuelle soziale Situation der Wähler:innen erklären lassen und dass die meisten Wähler:innen die AfD nicht als Protestpartei auswählen, sondern sehr wohl wissen, für welche rassistischen, antisemitischen und rechtsextremen Positionen sie steht. Als erklärungskräftigsten Faktor machte er die Existenz einer normalisierten extrem rechten Alltagskultur vor Ort aus.
Özge Erdoğan ist Bundesvorsitzende des Bundes der Alevitischen Jugendlichen in Deutschland und hat sowohl die jugendpolitische Perspektive als auch die einer Migrant:innenjugendselbstorganisation (MJSO) im Rahmen eines Webinars eingebracht. Sie hält ein breites jugendpolitisches Engagement gegen Rechtspopulismus und Rassismus für dringend erforderlich, auch um das Risiko von Rassismuserfahrungen für Mitglieder ihres Verbandes im öffentlichen Diskurs verringern. Darüber hinaus plädiert sie für Solidarität und Verbündete, um die Stimme von MJSOn insgesamt zu stärken.
Der Sozialarbeiter Tobias Burdukat aus Grimma im Landkreis Leipzig berichtete in seinem Webinar von seinem Konzept einer emanzipatorischen Jugendarbeit, das im "Dorf der Jugend" in Grimma umgesetzt wird. Er sieht erhebliche Probleme bei der Stärkung der demokratischen Kultur und Zivilgesellschaft vor Ort in Zeiten der AfD, solange durch eine hohe Abwanderungsquote flexibler und aufgeschlossener junger Menschen eine Jugendkultur auf dem Lande entsteht, in der Frustration verbreitet ist, rassistische Einstellungen oft unwidersprochen bleiben und rechtsextreme jugendkulturelle Elemente nicht als Störung empfunden werden.
Avital Grinberg und Ruben Gerczikow von der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands erläuterten in ihrem Webinar den Feigenblatt-Charakter der "Juden in der AfD", gingen aber auch auf die Anfälligkeit innerhalb der jüdischen Community für autoritäre oder antimuslimische Positionierungen ein. Sie betonten, dass die JSUD jedwede Kooperation mit der AfD ablehne, um sich nicht von der AfD instrumentalisieren zu lassen, und dass Antisemitismus weder mit Rassismus noch mit antimuslimischem Rassismus bekämpft werden könne.
In der gemeinsamen Abschlussdiskussion mit den Referent:innen des Eröffnungsvortrags und der drei Webinare wurden unterschiedliche Positionierungen zu der Eingangsfrage deutlich, ob sie sich einer Podiumsdiskussion mit der AfD stellen würden. Das gemeinsame Ziel unterschiedlicher Strategien im Umgang mit der AfD war aber eine Eingrenzung der Verbreitung und des Wirksamwerdens von Hass, Diskriminierung und Rassismus. Eine besonders wichtige Zielgruppe seien dabei vor allem die Personen, die sich in einzelnen Positionen der AfD wiederfinden oder überlegten, sie zu wählen, aber noch nicht entschieden seien. Bezweifelt wurde, dass das Ziel politischer Bildung im Kontext des Rechtspopulismus wirklich immer eine Förderung eines kritischen und emanzipatorischen Bewusstseins junger Menschen sei. Dies sei vor allem im ländlichen Raum, wo Schule neben dem Elternhaus die wesentliche Sozialisationsinstanz sei, oft nicht zu beobachten.
Ein geplantes Webinar zum Thema "Geschlechterreflektierte Pädagogik gegen extrem rechten Populismus" musste leider ausfallen und wird am Dienstag, den 15. September von 17:00 Uhr bis 18:30 Uhr mit Tina Leber als Referentin nachgeholt. Zur Veranstaltung geht es hier.
Der eigentlich als eintägige Präsenzveranstaltung in Frankfurt/Main geplante Fachtag wäre der vierte seiner Art gewesen. Aufgrund der Corona-Pandemie fand er – auf mehrere Tage verteilt – im veränderten Format der "IDA-Online-Fachtage" statt. Wir danken allen Mitwirkenden, dass sie sich auf diese Form der Präsentation und Diskussion eingelassen haben, und allen Teilnehmenden für Ihr Interesse.