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Antikurdischer Rassismus

Antikurdischer Rassismus ist die strukturelle, institutionelle und individuelle Diskriminierung gegenüber Menschen, die sich als kurdisch identifizieren, eine kurdische Familiengeschichte haben oder als kurdisch markiert werden. Antikurdischer Rassismus hat seine Wurzeln in der Kolonialzeit, als die kurdischen Siedlungsgebiete auf die heutigen Staaten Türkei, Iran, Irak und Syrien aufgeteilt wurden. Auch in Deutschland, der größten kurdischen Diaspora, wo schätzungsweise 1,5 Millionen Kurd:innen leben, ist antikurdischer Rassismus gegenwärtig.

Mit der Aufteilung des kurdischen Siedlungsgebietes auf die o.g. Staaten begann sich antikurdischer Rassismus zu etablieren und zu festigen. Die kurdische Existenz und Identität wurden dort verleugnet, die kurdische Sprache und Traditionen verboten und kriminalisiert. Antikurdischer Rassismus hat sich in diesen Staaten besonders gewaltvoll gezeigt: Es wurde genozidale Gewalt ausgeübt, Kurd:innen wurden hingerichtet,  politisch verfolgt und systematisch unterdrückt. In verschiedenen Phasen sind deshalb viele Kurd:innen aus den Herkunftsländern, in denen sie Repressionen erfahren haben, nach Europa migriert.

In Deutschland zeigt sich antikurdischer Rassismus auf verschiedenen Ebenen. So erleben Kurd:innen von Seitens der weißenMehrheitsgesellschaft alltäglichen, individuellen (antimuslimischen) Rassismus, indem sie als „fremd“, migrantisch oder muslimisch markiert werden (Othering, Migrantisierung). Kurd:innen erleben darüber hinaus stereotype Zuschreibungen und Stigmatisierungen, die sie als z.B. gewaltaffin, unwissend oder „unmodern“ darstellen. Auch die Tatsache, dass es keinen unabhängigen kurdischen Staat gibt, wird gegen sie verwendet. Denn sie wird genutzt, um die Abwertung kurdischer Existenz zu rechtfertigen. Insbesondere medial verfestigen sich stereotype, abwertende Darstellungen über Kurd:innen. Institutionell festigt sich antikurdischer Rassismus, indem kurdische Symbole, wie z.B. die Fahne oder kurdische Vereine kriminalisiert werden. Das seit Jahrzehnten bestehende Verbot der PKK (Arbeiterpartei Kurdistan) in Deutschland und die ständige Gleichsetzung von kurdischer Identität mit der Partei führen dazu, dass Kurd:innen in Deutschland oft pauschal kriminalisiert und unter Generalverdacht gestellt werden.

Kurd:innen erleben außerdem strukturellen Rassismus, wenn wichtige Dokumente nicht übersetzt werden (können), ihre Geschichte dethematisiert wird oder sie in Statistiken der Regierungsbehörden nicht auftauchen. Damit wird die Unsichtbarmachung und die mangelnde Repräsentation kurdischer Menschen in Politik, Kultur und Gesellschaft verstärkt. Zudem widerfährt ihnen antikurdischer Rassismus, wenn sie Asyl in Deutschland suchen, es ihnen aber verwehrt wird, weil die Türkei für sie als „sicheres Herkunftsland“ eingestuft wird.

Kurd:innen erleben in Deutschland auch insbesondere durch Anhänger:innen (ultra-) nationalistischer türkischer Bewegungen und Gruppierungen wie den „Grauen Wölfen“ antikurdischen Rassismus. Die „Grauen Wölfe“ vertreten eine nationalistische, rechtsextreme und teilweise islamistisch geprägte Ideologie, derer Ziel die Gründung eines „Großtürkischen Reichs“ ist. Dabei sprechen die „Grauen Wölfe“ Minderheiten in der Türkei ihre Zugehörigkeit ab oder verlangen deren Assimilation. Obwohl viele Kurd:innen türkische Staatsbürger:innen sind, werden sie abgewertet, ihre Existenz wird ihnen abgesprochen und es wird von den „Grauen Wölfen“ gezielt gegen sie mobilisiert, teilweise auch in Form von Gewalt- oder Mordandrohungen.

Demnach ist bei antikurdischem Rassismus wichtig zu benennen, dass Kurd:innen in Deutschland doppelte Rassifizierung erfahren, da sie durch die weiß-deutsche Mehrheitsgesellschaft Rassismus erleben und gleichzeitig von der Mehrheitsgesellschaft ihrer Herkunftsländer. Hierbei ist auch zu benennen, dass alevitische Kurd:innen darüber hinaus doppelte Diskriminierung erfahren, da ihnen aus türkisch-nationalistischer Sicht sowohl die „richtige“ Religion als auch die „richtige“ Ethnizität fehle.