Mit weiß ist nicht unbedingt die Schattierung der Haut eines Menschen gemeint, sondern die Positionierung und soziale Zuschreibung als weiß in einer rassistisch strukturierten Gesellschaft (siehe Struktureller Rassismus). Dem liegt die Annahme zugrunde, dass durch Rassifizierung und Rassismus nicht nur rassistisch markierte Menschen, sondern auch rassistisch nicht markierte Menschen positioniert werden. D.h. Rassismus weist auch weißen Menschen strukturell einen bestimmten sozialen Ort zu. Dieser Ort ist verbunden mit Privilegien, Dominanzerfahrungen und der Erfahrung als Maßstab zur Beurteilung nicht-weißer Menschen zu fungieren, ohne selbst als weiß markiert zu werden. Wer als weiß gilt und wer nicht, variiert historisch, sozial und geografisch. Dennoch ist Weißsein historisch und gesellschaftsstrukturell verankert, sodass es keine Frage der freien Entscheidung ist, ob weiße Menschen Vorteile aus dieser Positionierung ziehen und ob sie Dominanz ausüben können. Die Bezeichnung weiß dient also dazu, diese in der Regel unmarkiert bleibende Positionierung weißer Menschen – mit ihren in der Regel für sie unsichtbaren Folgen – sichtbar zu machen. Erst dadurch lassen sich bestehende Machtverhältnisse und Normalitätsvorstellungen beschreiben, analysieren, reflektieren und verändern, ohne dass soziale Positionen als natürliche Eigenschaften von Menschen erscheinen (siehe Identität (kollektive)). Um diese Zusammenhänge deutlich zu machen, wird in diesem Glossar weiß stets kursiv gesetzt.
Die Kategorie des Weißseins muss allerdings bei ihrer Übertragung aus dem US-amerikanischen Kontext an Geschichte und Gesellschaft in Deutschland angepasst werden. So werden Menschen mit osteuropäischen Bezügen von außen zwar oftmals als „weiß“ eingeordnet, erleben aber Antislawischen Rassismus und sind somit nicht weiß positioniert. Hinzu kommt die lange Geschichte der Diskriminierung und Verfolgung von Menschen mit osteuropäischen Bezügen, z.B. im Deutschen Kaiserreich und im Nationalsozialismus.
Auch in ihrer Übertragung auf Juden:Jüdinnen ist die Unterscheidung zwischen Schwarz und weiß kritisch zu sehen. Wird sie verabsolutiert verwendet, führt dies in Bezug auf Juden:Jüdinnen häufig dazu, dass diese fälschlicherweise als weiß eingeordnet werden. Damit verbunden werden Juden:Jüdinnen dann weiße Privilegien zugeschrieben. Diese Argumentation speist sich aus stereotypen antisemitischen Legenden von „jüdischer Privilegiertheit“ und „Übermacht“, die im Verborgenen wirke. Darüber hinaus verkennt sie, dass Juden:Jüdinnen sehr wohl Rassismuserfahrungen machen. Gerade in Deutschland ist der weit überwiegende Teil der Juden:Jüdinnen aus Osteuropa - v.a. aus Staaten der ehemaligen Sowjetunion - eingewandert und daher von Antislawischem Rassismus betroffen. Und die Argumentation verkennt, dass Weißsein in Deutschland durch die Geschichte des christlichen Antisemitismus (siehe Antijudaismus) und des völkischen Nationalismus christlich geprägt ist und daher Juden:Jüdinnen aus dem Weißsein ausgeschlossen sind. Juden:Jüdinnen als weiß darzustellen, hat also zur Folge, dass sowohl die Rassismus- als auch die Antisemitismuserfahrungen von Juden:Jüdinnen ignoriert werden.
Häufig wird die Unterscheidung zwischen Schwarz und weiß auch auf den Israel-Palästina-Konflikt übertragen. Auch in diesem Zusammenhang führt sie zur Reproduktion von Antisemitismus (siehe Israelbezogener Antisemitismus und Kolonialismus).
Siehe auch Critical Whiteness und Selbstzuschreibung