Verschwörungserzählungen werden aufgrund ihres abstrusen Charakters fälschlicherweise oft als harmlos abgetan. Jedoch sind sie ein verbreitetes Phänomen der Sündenbock-Suche. Anhand von Verschwörungserzählungen werden Entwicklungen, Zustände und Ereignisse durch eine vermeintliche Verschwörung einer kleinen Gruppe von Menschen erklärt, die eigene, destruktive Interessen damit verfolgen würden. Dabei wird konkret benannt, wer hinter dieser wahrgenommenen Verschwörung stecke, welcher katastrophale Zustand dadurch drohe und mit welchen Mitteln die Ziele der Verschwörer:innen erreicht würden. In den Erzählungen hängen Ereignisse wie in einem Netzwerk zusammen, es existieren keine Zufälle und die öffentliche Wirklichkeit scheint nur ein durch die Verschwörer:innen fabriziertes Trugbild zu sein.
Insbesondere in Krisenzeiten entsteht ein guter Nährboden für Verschwörungserzählungen, da die Erzählung von einer bösartigen, mächtigen Gruppe paradoxerweise greifbarer und einfacher zu verarbeiten ist als die komplexen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Hintergründe von Geschehnissen. Gleichzeitig bietet die Rolle des Opfers einer (Welt-)Verschwörung die Möglichkeit, das eigene Selbstbild positiv stärken. Verschwörungserzählungen haben auch ohne direkten Bezug zu Personen oder Gruppen, die als „Juden“ markiert werden, oft einen antisemitischen Charakter, indem sie eine vermeintliche geheime Weltverschwörung für alles Übel der Welt verantwortlich machen (Antisemitismus).
Die Begriffswelt um Verschwörungserzählungen ist umstritten. So wird beispielsweise dafür plädiert, die Begriffe Verschwörungsideologie, Verschwörungsmythos und Verschwörungstheorie nicht synonym zu verwenden. Letzterer wird, trotz seiner Verbreitung, besonders kontrovers diskutiert, da sich gewöhnliche Theorien im Gegensatz zu Verschwörungstheorien wissenschaftlich testen lassen und mithilfe von Gegenbeweisen verworfen werden können. Der Begriff Verschwörungsideologie fokussiert nicht auf die konkreten Erzählungen über angebliche Verschwörungen, sondern beschreibt eine übergeordnete, propagierte Weltanschauung. Verschwörungsmythen bezeichnen abstrakte Geschichten, aus denen sich dann konkrete Verschwörungserzählungen ableiten lassen. Die Begriffe Verschwörungsmythen und Verschwörungserzählungen werden häufig synonym verwendet, um dieselben Konstrukte zu beschreiben, auch wenn sich ihre Bedeutung nicht vollumfänglich deckt.
Eine Verschwörungserzählung (beispielsweise, dass Bill Gates das Corona-Virus erfunden habe, um die Anzahl an Menschen auf der Erde zu reduzieren) kann Teil einer Verschwörungsideologie werden. Im Rahmen dessen bilden sich Bewegungen von Verschwörungsgläubigen, durch welche die gemeinsame Ideologie verbreitet werden soll (beispielsweise die „Querdenken“-Bewegung). Meist beheimatet eine Verschwörungsideologie ein entsprechendes Weltbild und autoritäre Leitbilder, die ihre Anhänger:innen versuchen in die Gesellschaft zu tragen und umzusetzen. Ein solches ideologisches Denksystem lässt keinen Raum für Widersprüche, Kritik oder Gegenbeweise. Eine Verschwörungsideologie ummantelt das Ziel hinter einer Verschwörungserzählung, Sündenböcke zu finden und diese zu bestrafen.
Von einer Verschwörungsideologie ist schließlich noch die Verschwörungsmentalität abzugrenzen. Menschen unterscheiden sich in ihrer individuellen Tendenz, grundsätzlich überall vermeintliche Verschwörungen und verschwörerische Muster zu erkennen. Wenn der Glaube einer Person an geheime Verschwörungen tiefergehend im eigenen Weltbild verankert ist, dann spricht mensch von einer Verschwörungsmentalität. Die Verschwörungsmentalität bezieht sich dementsprechend, im Gegensatz zur Verschwörungsideologie, auf die psychologisch messbare individuelle Einstellung von Menschen.