Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ermöglicht sogenannte „positive Maßnahmen“, die darauf abzielen, bestehende strukturelle Benachteiligungen bestimmter sozialer Gruppen auszugleichen oder zu verhindern (siehe Diskriminierung und Struktureller Rassismus). Ein Beispiel hierfür sind Quotenregelungen oder Outreach-Programme, die unterrepräsentierte soziale Gruppen gezielt zur Bewerbung ermutigen sollen.
Um sicherzugehen, dass solche Maßnahmen nicht zu einer langfristigen Diskriminierung führen besagt Artikel 1 Absatz 4 der Internationalen Konvention zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (ICERD), dass Maßnahmen, die dazu dienen, die Entwicklung bestimmter rassifizierter Gruppen oder Personen zu fördern, die besonderen Schutz benötigen, nicht als Rassismus oder Diskriminierung gelten, solange diese Maßnahmen nicht zu einer Aufrechterhaltung getrennt ausgeübter Rechte führen und solange sie nicht länger fortgeführt werden, nachdem die angestrebten Ziele erreicht wurden. Artikel 2 Absatz 2 ICERD präzisiert, dass die Vertragsstaaten bei Bedarf spezielle Maßnahmen im sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich ergreifen sollten, um sicherzustellen, dass bestimmte rassifizierte Gruppen oder Individuen die gleichen Rechte und Freiheiten genießen können. Auch hier wird betont, dass solche Maßnahmen niemals ungleiche Rechte für verschiedene BIPoC* aufrechterhalten dürfen, nachdem die Ziele erreicht sind.
Kritiker:innen stellen jedoch fest, dass das AGG nur eine allgemeine Option für positive Maßnahmen bietet und nicht genau definiert, wann solche Maßnahmen unbedingt notwendig sind oder welche Formen sie annehmen sollten. Das Gesetz lässt zwar viel Raum für kreative Lösungen und Engagement, doch gleichzeitig bleibt es den Akteur:innen überlassen, wann und in welchem Umfang sie diese Maßnahmen umsetzen. Häufig werden positive Maßnahmen aber auch ganz allgemein kritisiert. Beispielsweise werden positive Maßnahmen als „umgekehrte Diskriminierung” gedeutet, also als Diskriminierung von sozialen Gruppen, die strukturell von Diskriminierung profitieren (siehe Deutschenfeindlichkeit und Privilegien). Andere kritisieren, dass strukturell benachteiligte Gruppen damit überhaupt erst als homogene Gruppen festgeschrieben würden. Dieses Dilemma besteht zwar. Dennoch ist beiden Kritiken entgegenzuhalten, dass Strukturen sich erstens nur langfristig und nachhaltig verändern lassen, wenn Nachteile strukturell benachteiligter Gruppen ausgeglichen werden. Zweitens ist nur durch einen solchen Ausgleich gewährleistet, dass diese sozialen Gruppen in den vollen Genuss ihrer Menschenrechte und gesellschaftlicher Teilhabe kommen können.