Siehe Othering
Im Glossar erläutert IDA zentrale Begriffe aus seinen Arbeitsbereichen kurz und verständlich. Das Glossar wird kontinuierlich erweitert und aktualisiert. Sie vermissen einen Begriff? Schreiben Sie uns einfach an Info(at)IDAeV.de.
Siehe Othering
Siehe Allyship
Siehe Internalisierung
Verschwörungserzählungen werden aufgrund ihres abstrusen Charakters fälschlicherweise oft als harmlos abgetan. Jedoch sind sie ein verbreitetes Phänomen der Sündenbock-Suche. Anhand von Verschwörungserzählungen werden Entwicklungen, Zustände und Ereignisse durch eine vermeintliche Verschwörung einer kleinen Gruppe von Menschen erklärt, die eigene, destruktive Interessen damit verfolgen würden. Dabei wird konkret benannt, wer hinter dieser wahrgenommenen Verschwörung stecke, welcher katastrophale Zustand dadurch drohe und mit welchen Mitteln die Ziele der Verschwörer:innen erreicht würden. In den Erzählungen hängen Ereignisse wie in einem Netzwerk zusammen, es existieren keine Zufälle und die öffentliche Wirklichkeit scheint nur ein durch die Verschwörer:innen fabriziertes Trugbild zu sein.
Insbesondere in Krisenzeiten entsteht ein guter Nährboden für Verschwörungserzählungen, da die Erzählung von einer bösartigen, mächtigen Gruppe paradoxerweise greifbarer und einfacher zu verarbeiten ist als die komplexen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Hintergründe von Geschehnissen. Gleichzeitig bietet die Rolle des Opfers einer (Welt-)Verschwörung die Möglichkeit, das eigene Selbstbild positiv stärken. Verschwörungserzählungen haben auch ohne direkten Bezug zu Personen oder Gruppen, die als „Juden“ markiert werden, oft einen antisemitischen Charakter, indem sie eine vermeintliche geheime Weltverschwörung für alles Übel der Welt verantwortlich machen (Antisemitismus).
Die Begriffswelt um Verschwörungserzählungen ist umstritten. So wird beispielsweise dafür plädiert, die Begriffe Verschwörungsideologie, Verschwörungsmythos und Verschwörungstheorie nicht synonym zu verwenden. Letzterer wird, trotz seiner Verbreitung, besonders kontrovers diskutiert, da sich gewöhnliche Theorien im Gegensatz zu Verschwörungstheorien wissenschaftlich testen lassen und mithilfe von Gegenbeweisen verworfen werden können. Der Begriff Verschwörungsideologie fokussiert nicht auf die konkreten Erzählungen über angebliche Verschwörungen, sondern beschreibt eine übergeordnete, propagierte Weltanschauung. Verschwörungsmythen bezeichnen abstrakte Geschichten, aus denen sich dann konkrete Verschwörungserzählungen ableiten lassen. Die Begriffe Verschwörungsmythen und Verschwörungserzählungen werden häufig synonym verwendet, um dieselben Konstrukte zu beschreiben, auch wenn sich ihre Bedeutung nicht vollumfänglich deckt.
Eine Verschwörungserzählung (beispielsweise, dass Bill Gates das Corona-Virus erfunden habe, um die Anzahl an Menschen auf der Erde zu reduzieren) kann Teil einer Verschwörungsideologie werden. Im Rahmen dessen bilden sich Bewegungen von Verschwörungsgläubigen, durch welche die gemeinsame Ideologie verbreitet werden soll (beispielsweise die „Querdenken“-Bewegung). Meist beheimatet eine Verschwörungsideologie ein entsprechendes Weltbild und autoritäre Leitbilder, die ihre Anhänger:innen versuchen in die Gesellschaft zu tragen und umzusetzen. Ein solches ideologisches Denksystem lässt keinen Raum für Widersprüche, Kritik oder Gegenbeweise. Eine Verschwörungsideologie ummantelt das Ziel hinter einer Verschwörungserzählung, Sündenböcke zu finden und diese zu bestrafen.
Von einer Verschwörungsideologie ist schließlich noch die Verschwörungsmentalität abzugrenzen. Menschen unterscheiden sich in ihrer individuellen Tendenz, grundsätzlich überall vermeintliche Verschwörungen und verschwörerische Muster zu erkennen. Wenn der Glaube einer Person an geheime Verschwörungen tiefergehend im eigenen Weltbild verankert ist, dann spricht mensch von einer Verschwörungsmentalität. Die Verschwörungsmentalität bezieht sich dementsprechend, im Gegensatz zur Verschwörungsideologie, auf die psychologisch messbare individuelle Einstellung von Menschen.
Mit Vielfalt ist das Nebeneinander von verschiedenen Differenzlinien gemeint, beispielsweise in Form von Herkunft oder Geschlecht. In einer vielfältigen Gesellschaft leben Menschen verschiedener Gruppen, Identitäten, Lebensentwürfe, Gewohnheiten, Interessen, Meinungen, Weltanschauungen und Verhaltensweisen zusammen. Es können jedoch auch Zuschreibungen, die Menschen in ihrer vermeintlichen „Andersheit“ gegenüber der erlebten Normalität ausgrenzen, mit Vielfalt verbunden sein. Solche Zuschreibungen als „fremd“ verlieren in einer inklusiven Gesellschaft zunehmend an Bedeutung.
Die Begriffe „Vielfalt“, „Diversität“ und „Diversity“ werden oft synonym verwendet. Diversität geht jedoch über Vielfalt hinaus und fokussiert sich darauf, dass bestimmte Merkmale von Menschen gesellschaftliche Folgen haben können (z.B. Diskriminierung) und erkennt die Notwendigkeit von Empowerment. Bei der Verwendung des Begriffs „Vielfalt“ werden häufig strukturelle Folgen von sozialen Zugehörigkeiten ausgeblendet. Währenddessen wird der Begriff „Diversity“ vor allem in der Wirtschaft genutzt, um einerseits die Verschiedenheit der Mitarbeiter:innen wertzuschätzen. Andererseits verleihen sich Unternehmen manchmal aus Marketinggründen ein diverses Image, welches sich in der Unternehmensstruktur nicht unbedingt widerspiegelt. Das ist jedoch eine grundsätzliche Gefahr bei der Etablierung von Diversität in allen Organisationen.
Siehe auch Diversitätsbewusste Bildungsarbeit, Diversity Management, Interkulturelles Lernen
Die Abkürzung steht für Vereinigungen, Vereine oder Verbände junger Menschen mit Migrationshintergrund oder familiärer Einwanderungsgeschichte. Er wird weitgehend synonym zum Begriff Migrant:innenjugendselbstorganisation verwendet. Aktuellere Begriffe wie beispielsweise BIPoC*-Jugendgruppen greifen stärker Selbstbezeichnungen auf.
Siehe Ethnie
Im völkischen Nationalismus wird ein ethnisierender bzw. rassifizierender Volksbegriff mit nationalistischen Denkkategorien verbunden: Nicht die Staatsbürgerschaft entscheidet, wer zum „Volk“ und zur „Nation“ gehört, sondern „Abstammung“ und „Rasse“. Daher können z.B. Schwarze, jüdische oder muslimische Deutsche in dieser Denkweise nicht existieren und wird Zuwanderung als Gefahr betrachtet, da sie die Homogenität und das Wesen der völkisch definierten Gemeinschaft bedroht. Diese völkisch nationalistische Erzählung drückt sich auch in den extrem rechten Kampfbegriffen der „Umvolkung“ und des „Großen Austauschs“ aus, die in der Regel mit strukturell oder offen antisemitischenVerschwörungserzählungen verknüpft werden. Zudem ist der völkische Nationalismus inhärent totalitär, da die rassistische Vorstellung des Volkes mit der Forderung nach einem starken Staat einhergeht, der die Homogenität des Volkes (auch mit Gewalt) durchsetzt (siehe Nationalsozialismus). Das „völkisch-nationale“ Kollektiv erscheint wichtiger als individuelle Interessen und Rechte. Bei völkischem Nationalismus handelt es sich um eine rassistische Blut-und-Boden-Ideologie, die klassischerweise von extrem Rechten bedient wird, aber auch im Mainstream anschlussfähig ist. Bspw. findet sie sich noch partiell auch im deutschen Staatsbürgerschaftsrecht wieder.
Siehe auch Ethnie, Nationalismus und Rassismus
Vorurteile sind negative oder ablehnende Einstellungen einem Menschen oder einer Menschengruppe gegenüber. Anderen werden dabei infolge stereotyper Vorstellungen bestimmte und zumeist negative Eigenschaften zugeschrieben, die sich aufgrund von Starrheit und gefühlsmäßiger Aufladung selbst bei widersprechender Erfahrung nur schwer korrigieren lassen. Viele Vorurteile gegenüber Minderheiten (z.B. Juden:Jüdinnen, Schwarze, Sinti:zze und Rom:nja) sind historisch tradiert und werden in den Medien, in Schulbüchern und in der Alltagssprache reproduziert.
Der Begriff wird aus rassismuskritischer Perspektive inzwischen kritisiert. Denn er und die entsprechende Vorurteilsforschung tendieren erstens dazu, rassistische Einstellungen als individuelles Problem oder bloße Falschinformation erscheinen zu lassen. Sie können dadurch zweitens die Frage nicht befriedigend beantworten, warum rassistisches Wissen sozial geteilt und gesellschaftlich so weit verbreitet ist. Drittens impliziert der Begriff, dass ein prinzipiell richtiges Urteil über die Gruppen, auf die sich Vorurteile beziehen, möglich sei. Dadurch erscheinen diese Gruppen als naturgegebene homogene Einheiten und die Äußernden von Vorurteilen als defizitär und unwissend. Viertens blendet der Begriff die Machtverhältnisse, in denen Vorurteile entstehen und geäußert werden, und die Funktionen, die Vorurteile darin übernehmen, aus. Dadurch leistet er der Gefahr Vorschub, Rassismus zu relativieren.