Anwerbeabkommen ab 1955
2025-12-20
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Am 20. Dezember 1955 unterzeichneten der deutsche Arbeitsminister Anton Storch und der italienische Außenminister Gaetano Martino in Rom das deutsch-italienische Anwerbeabkommen. Dieses Abkommen ermöglichte es deutschen Unternehmen, italienische Arbeitskräfte legal zu beschäftigen, um den akuten Arbeitskräftemangel in der jungen Bundesrepublik zu bewältigen. Dieses war das erste von zahlreichen weiteren Abkommen, die im Laufe der 1960er Jahre mit verschiedenen Ländern geschlossen wurden.
Die “Vertragsarbeiter:innen” wurden überwiegend für die unbeliebtesten Arbeiten rekrutiert und lange Zeit nicht als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft angesehen. Sie waren oft schlechter gestellt als ihre deutschen Kolleg:innen, etwa durch niedrigere Löhne, schlechtere Arbeitsbedingungen und fehlende soziale Absicherung, was immer wieder zu Protesten und Arbeitskämpfen führte – ein bekanntes Beispiel ist der Streik in den Kölner Ford-Werken 1973, bei dem Tausende türkische Arbeiter gegen ungleiche Behandlung protestierten. Viele in der DDR verloren nach der Wiedervereinigung ihre Aufenthaltstitel und ehemalige mosambikanische Vertragsarbeiter:innen kämpfen beispielsweise noch heute um ihren Lohn bzw. ihre Rente. Die Abkommen sahen ursprünglich vor, dass die Arbeiter:innen nach einer bestimmten Zeit in ihre Herkunftsländer zurückkehren und durch neue ersetzt werden sollten. Deshalb wurden die angeworbenen Arbeitskräfte oft als „Gastarbeiter:innen“ bezeichnet. Aufgrund der vermeintlich kurzen Aufenthaltsdauer gab es für die Arbeitskräfte aus den verschiedenen Ländern keine staatlichen Teilhabemaßnahmen. Das führte dazu, dass die Migrant:innen lange keine Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe hatten und weitestgehend isoliert lebten. Dennoch entschieden sich viele nach jahrelangem Arbeiten in Deutschland nicht wieder in ihre Herkunftsländer zurückzukehren und stattdessen ihre Familie nachzuholen und prägten so die kulturelle Vielfalt vieler deutscher Städte. Die damaligen Umstände haben weitreichende Folgen, die es zu verstehen und zu berücksichtigen gilt, um aktuelle Debatten über “Integration” zu führen und die Geschichte Deutschlands als Einwanderungsland zu verstehen.
Alle Anwerbeabkommen werden im Folgenden aufgelistet:
Anwerbeabkommen der BRD mit: Italien (20. Dezember 1955), Spanien (29. März 1960), Griechenland (30. März 1960), Türkei (30. Oktober 1961), Marokko (21. Mai 1963), Südkorea (16. Dezember 1963), Portugal (17. März 1964), Tunesien (7. Oktober 1965) und Jugoslawien (12. Oktober 1968).
Abkommen der DDR mit: Ungarn (26. Mai 1967), Polen (10. Mai 1971), Algerien (11. April 1974), Kuba (4. Juli 1975), Mosambik (24. Februar 1979), Vietnam (11. April 1980), Angola (29. März 1985) und China (4. April 1986).