Als kulturelle Aneignung (engl. cultural appropriation) wird ein Prozess bezeichnet, bei dem Elemente einer Kultur enteignet und aus dem Zusammenhang gerissen in einen anderen Kontext gesetzt werden. In großem Maße ist das während des Kolonialismus passiert: Noch heute befinden sich während der Kolonialzeit geraubte Gegenstände in westlichen Museen, oftmals wird ihre Bedeutung für die jeweilige Kultur nicht oder unzutreffend dargestellt. Symbole und Gegenstände werden exotisiert und sich von Menschen angeeignet, die oftmals ihre Bedeutung und Geschichte nicht kennen. Häufig wird dabei die Geschichte der Unterdrückung und Gewalt ausgeblendet, die dazu geführt hat, dass diese Aneignung erst möglich wurde. Das Tragen von bestimmten Symbolen wurde bei der kolonisierten Bevölkerung einst gewaltvoll bestraft (und wird auch heute noch oft genug mit Diskriminierung, Ausschluss und Othering sozial sanktioniert). Wenn nun die Nachkommen der Unterdrücker:innen und Mitglieder einer Mehrheitsgesellschaft, die immer noch Anpassung von Minderheiten fordert, völlig sorglos und unkritisch diese Symbole tragen, eignen sie sich erneut die Deutungshoheit darüber an (epistemische Gewalt). Das ist nur aufgrund postkolonialer Kontinuitäten möglich, die aber oftmals nicht entsprechend (an)erkannt werden. Deswegen bedarf es auch auf der individuellen Ebene Sensibilität, was bspw. das Tragen bestimmter Kleidungen und Frisuren betrifft. An die Stelle der unreflektierten Aneignung, weil etwas als „schön“ wahrgenommen wird, könnte wertschätzendes Interesse bezüglich der Herkunft und Bedeutung treten.
Siehe auch Anerkennung, Critical Whiteness, Exotisierung, Postkolonialismus